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Forschung

 

Einleitung:

Wissenschaftliche Untersuchungen zu Bedarf und Auswirkungen der Nährstoffe Ammonium, Nitrat und Phosphat bei Korallen, sowie zahlreiche Erfahrungen von Riffaquarianern in den letzten Jahren haben gezeigt, dass der Bedarf der Korallen an Phosphat höher ist als bisher angenommen (Wiedenmann et al. 2013, D’Angelo & Wiedenmann 2014, Morris et al. 2019). Dieser Übersichtsartikel soll jüngeres Wissen näher beleuchten und versuchen, dem Aquarianer einen möglichen neu entdeckten Weg des Phosphattransports im Aquarium hin zur Koralle näher zu bringen.

 

Neue Trends bei Gestein und Bodengrund:

Neben der klassischen Einrichtung eines Riffaquariums mit Korallensand oder Korallenkies als Bodengrund und feucht transportiertem, frischen Lebendgestein als Einrichtungsmaterial werden immer häufiger alternative Einrichtungsformen und -materialien gewählt.

Lebendgestein hat die Mehrfachfunktion, sowohl Bakterien als auch Bakteriennahrung und weitere Nährstoffe wie Phosphat und Ammonium aus absterbenden Organismen und dem Gestein selbst in das Aquarium einzubringen. Aus Gründen des Biotop- und Naturschutzes sowie wegen einer verringerten Verfügbarkeit werden Aquarien vermehrt mit Totgestein oder keramischen Dekomaterialien eingerichtet. Auch unerwünschte Passagiere, die oft mit Lebendgestein eingebracht werden und umfangreichere Gestaltungsmöglichkeiten spielen bei der Verwendung von Totgestein und Keramik eine Rolle. Jedoch erfüllen diese alternativen Materialien die Mehrfachfunktion von Lebendgestein nicht oder unvollständig.

Neben der Entwicklung von Lebendgestein hin zu Totgestein zeigt sich ebenfalls eine wachsende Tendenz hin zu bodengrundlosen Aquarien. Klassische Bodengründe wie Korallensand und Korallenkies enthalten erhebliche Mengen an Phosphat, welches allmählich in das Wasser des Riffaquariums abgegeben werden. In bodengrundlosen Aquarien („Bare Bottom Tanks“), fällt der Bodengrund als Nährstofflieferant und Nährstoffpuffer weg. In klassisch eingerichteten Aquarien mit Lebendgestein und Korallensand kann die Phosphatkonzentration im Aquarium bei der Einrichtung ein Zufallsparameter sein - nicht zu beeinflussen und letztlich ein schwieriger Parameter mit manchmal zu niedrigen oder aber übermäßig hohen Konzentrationen. Folglich kann ein starker Phosphatverbrauch durch Einsetzen von Korallen in kurzer Zeit zu Phosphatmangel führen.  Sinkt jedoch im Riffaquarium die Phosphatkonzentration zu stark ab, führt das bei Korallen zu verringertem Wachstum und, insbesondere in Verbindung mit einer unausgewogen hohen Karbonathärte, zu Gewebsverlusten von der Basis her. In bodengrundlosen Aquarien mit Totgestein kann der Phosphatwert von Anfang an gesteuert werden. 

 

Phosphattransport:

Jüngeren wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge zeigt sich immer stärker, dass die eigentliche Gefahr für Korallen von einer Phosphatlimitierung ausgeht (Wiedenmann et al. 2013, D’Angelo & Wiedenmann 2014, Morris 2019). Eine ausreichende Phosphatversorgung ist sowohl für das Funktionieren der Partnerschaft zwischen Korallen und den Mikroalgen in ihrem Gewebe (sogenannte Korallen-Zooxanthellen-Symbiose), als auch für Kalkbildung und somit für das Wachstum der Korallen eine Notwendigkeit. Diese Studien zeigen ebenfalls, dass die bisher empfohlenen geringen Phosphatkonzentrationen im Aquarium zu überdenken sind. Optimale Phosphatkonzentrationen werden heute im Bereich zwischen 0,05 mg/l und 0,15 mg/l gesehen. Selbst hohe Konzentrationen bis 0,5 mg/l haben sich als unproblematisch herausgestellt.

Korallen profitieren in hohem Maße von einem Energietransfer von ihren Zooxanthellen auf die Korallenpolypen und das Korallen-Mikrobiom. Als Mikrobiom bezeichnet man hier die lebenswichtige Gemeinschaft von Mikroorganismen innerhalb und auf der Koralle. Bei diesem Energietransfer geben die Zooxanthellen energiereiche Verbindungen (Bakteriennahrung) wie Zucker und Alkohole an den Korallenpolypen ab und dieser leitet sie an das Mikrobiom weiter. Dieser Transfer kann von den Korallen nur optimal genutzt werden, wenn die Korallen ausreichend mit Phosphat versorgt sind und in den Zooxanthellen Stickstoffmangel herrscht. Nur wenn die Zooxanthellen durch diesen Stickstoffmangel die aufgenommene Lichtenergie nicht voll in Wachstum umsetzen können, kann ein erheblicher Teil dieser Energie an die Korallenpolypen und das Korallenmikrobiom übertragen werden. Ein stabiles Korallenmikrobiom ist ein Schlüsselelement zum Aufschließen von Nährstoffen sowie zur Abwehr schädlicher Mikroben und somit eine wichtige Voraussetzung für Wachstum und Wohlbefinden der Koralle.

 

Probleme bei der Regulierung der Phosphatzufuhr:

Ein zentrales Problem bei einer gezielten Versorgung der Korallen mit gelöstem Phosphat, also einer Erhöhung der Phosphatkonzentration im Wasser, besteht durch Bodengrund und Gestein. Wie vorher beschrieben, können diese Ihr Phosphat auslaugen, jedoch dann auch wieder in großer Menge aufnehmen, ähnlich eines modernen Akkumulators. Folglich können Kalk- und Dekorationsmaterialien im Aquarium viel vom gelösten Phosphat adsorbieren, bevor das zugeführte Phosphat tatsächlich in ausreichender Konzentration den Korallen zur Verfügung steht. Aus diesen Mechanismen resultiert eine schwer zu steuernde Phosphatzufuhr.

Aktuelle Studien zeigen, dass Oberflächenstrukturen – insbesondere bei kleinpolypigen Steinkorallen - durch dauerhaft erhöhte Phosphatkonzentrationen unter einer unregelmäßigen Kalkbildung leiden (Van der Zande et al. 2021). Beobachtungen in Aquarien bestätigen diese Reaktion. Die Strukturen der Korallen erscheinen ungleichmäßig und der regelmäßige Aufbau etwa von Acropora-Korallen geht verloren. Der Aufbau der Korallen ist dünn und zerbrechlich, die filigranen Strukturen der Polypenkelche scheinen einzuschmelzen und die Farben erscheinen matt und glanzlos. Die Koralle zeigt so nicht ihre volle Schönheit der regelmäßigen Anordnung der Polypenkelche und ihrer leuchtenden Farben.

Vom löslichen zum partikulären Phosphat: Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Ausscheidungen der Fische im Riff positive Wirkungen auf Korallen haben (Godinot & Chadwick 2009, Shantz 2016). Die Partikelform der Fischexkremente, die Mobilität der Fische (Nähe zu den Korallen), und die Ausscheidungs-phasen, welche die Nährstoffkonzentrationen kurzzeitig erhöhen, sind zum großen Teil für diese günstige Wirkung verantwortlich. Diese partikulären Ausscheidungen scheinen keine nachteiligen Veränderungen der Skelettarchitektur (wie zuvor beschrieben) der Korallen zu bewirken (Van der Zande et al. 2021). Fische scheiden Stickstoffverbindungen, insbesondere Ammonium, überwiegend in gelöster Form über die Kiemen aus, während Phosphat überwiegend in partikulärer Form mit dem Kot ausgeschieden wird (Ballester-Moltó et al. 2017, Rempel et al. 2022), wodurch Impulse in der Nährstoffkonzentration entstehen. Untersuchungen und Beobachtungen in unserem Labor lassen den Schluss zu, dass partikuläres Phosphat, ähnlich dem welches durch Fische ausgeschieden wird, einer Flüssigdosierung von Phosphat sichtbar überlegen ist. Unlösliche, partikuläre Phosphate in Kombination mit organischen Komponenten wie sie von Korallen benötigt werden, können so für eine optimierte Korallenversorgung durch Nährstoffimpulse genutzt werden. Dieser Wechsel, weg von flüssigen Produkten hin zu partikulären Produkten, könnte eine richtungsweisende Entwicklung in der Meerwasseraquaristik sein.

 

Zusammenfassung:

Phosphat ist ein wichtiger Motor für das Wachstum von Korallen und ein essentieller Bestandteil des Korallenstoffwechsels. Entgegen älteren Annahmen deuten jüngere Studien und Beobachtungen darauf hin, dass Phosphatlimitierung eine Gefahr für Korallen darstellt. Ausreichende Phosphatkonzentrationen und geringe Stickstoff-konzentrationen in der Koralle gewährleisten den benötigten Energietransfer (Bakteriennahrung) zwischen den biologischen Bestandteilen der Koralle (Zooxanthellen und Mikrobiom). Dieser Energietransfer stärkt das konstante Wachstum und die Schönheit der Koralle. Derzeit wird viel an den Wechselwirkungen zwischen den organischen Strukturen wie z. B. Zooxanthellen und Mikrobiom gearbeitet (Maire et al. 2021). Diese Studien bestätigen ebenfalls, dass partikuläre Phosphate im Vergleich zu gelösten Phosphaten bestes Korallenwachstum durch Nährstoffimpulse fördern. Diese Beobachtungen sind richtungsweisend für eine optimale Phosphatversorgung und die gesamte organische und anorganische Korallenversorgung im Aquarium.

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Empfohlene Literatur:

MORRIS, Luke A., et al. Nutrient availability and metabolism affect the stability of coral–Symbiodiniaceae symbioses. Trends in microbiology, 2019, 27. Jg., Nr. 8, S. 678-689.

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SHANTZ, Andrew A. The Individual and Interactive Effects of Nitrogen and Phosphorus Enrichment on Coral Reefs. 2016.

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VAN DER ZANDE, Rene M., et al. Asymmetric physiological response of a reef-building coral to pulsed versus continuous addition of inorganic nutrients. Scientific reports, 2021, 11. Jg., Nr. 1, S. 1-10.

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Weitere zitierte Literatur:

BALLESTER-MOLTÓ, Mateo; SANCHEZ-JEREZ, Pablo; AGUADO-GIMÉNEZ, Felipe. Consumption of particulate wastes derived from cage fish farming by aggregated wild fish. An experimental approach. Marine environmental research, 2017, 130. Jg., S. 166-173.

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BONGIORNI, Lucia; SHAFIR, Shai; RINKEVICH, Baruch. Effects of particulate matter released by a fish farm (Eilat, Red Sea) on survival and growth of Stylophora pistillata coral nubbins. Marine Pollution Bulletin, 2003, 46. Jg., Nr. 9, S. 1120-1124.

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DAILER, Meghan L.; SMITH, Jennifer E.; SMITH, Celia M. Responses of bloom forming and non-bloom forming macroalgae to nutrient enrichment in Hawai ‘i, USA. Harmful Algae, 2012, 17. Jg., S. 111-125.

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D’ANGELO, Cecilia; WIEDENMANN, Jörg. Impacts of nutrient enrichment on coral reefs: new perspectives and implications for coastal management and reef survival. Current Opinion in Environmental Sustainability, 2014, 7. Jg., S. 82-93.

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DAVY, Simon K.; ALLEMAND, Denis; WEIS, Virginia M. Cell biology of cnidarian-dinoflagellate symbiosis. Microbiology and Molecular Biology Reviews, 2012, 76. Jg., Nr. 2, S. 229-261.

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FERRIER-PAGÈS, Christine, et al. Effect of nutrient enrichment on growth and photosynthesis of the zooxanthellate coral Stylophora pistillata. Coral Reefs, 2000, 19. Jg., Nr. 2, S. 103-113.

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GODINOT, C.; CHADWICK, Nanette E. Phosphate excretion by anemonefish and uptake by giant sea anemones: demand outstrips supply. Bulletin of Marine Science, 2009, 85. Jg., Nr. 1, S. 1-9.

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GOLDBERG, Walter M. Coral food, feeding, nutrition, and secretion: a review. Marine organisms as model systems in biology and medicine, 2018, S. 377-421.

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HUANG, Y.-CA, et al. Nutrient enrichment caused by marine cage culture and its influence on subtropical coral communities in turbid waters. Marine Ecology Progress Series, 2011, 423. Jg., S. 83-93.

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KARCHER, Denis B., et al. Nitrogen eutrophication particularly promotes turf algae in coral reefs of the central Red Sea. PeerJ, 2020, 8. Jg., S. e8737.

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LARNED, S. T. Nitrogen-versus phosphorus-limited growth and sources of nutrients for coral reef macroalgae. Marine Biology, 1998, 132. Jg., Nr. 3, S. 409-421.

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MAIRE, Justin, et al. Intracellular bacteria are common and taxonomically diverse in cultured and in hospite algal endosymbionts of coral reefs. The ISME journal, 2021, 15. Jg., Nr. 7, S. 2028-2042.

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REMPEL, Hannah S., et al. Feces consumption by nominally herbivorous fishes in the Caribbean: an underappreciated source of nutrients?. Coral Reefs, 2022, 41. Jg., Nr. 2, S. 355-367.

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WIEDENMANN, Jörg, et al. Nutrient enrichment can increase the susceptibility of reef corals to bleaching. Nature Climate Change, 2013, 3. Jg., Nr. 2, S. 160-164.

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